Ein Garten steckt voller Geschichten. Es sind so viele, dass ich sie gar nicht alle erzählen kann. Eine will ich euch aber nicht vorenthalten: die Geschichte von Schneeweißchen und Rosarot. Die kennt ihr bestimmt noch nicht :-)

Schneeweißchen

Schneeweißchen

Rosarot

Rosarot

Es war einmal vor langer, langer Zeit ein Blumenkasten. Und in diesem Blumenkasten  wuchsen Radieschen. Die Radieschen waren ganz unterschiedlich: Einige von ihnen war klein und schlank, andere waren klein und knubbelig. Aber alle hatten eine dunkelrote Wurzel und viele grüne Blätter darauf. Schließlich waren sie Radieschen.

Jeden Tag bekamen die Radieschen Besuch. Manchmal waren es die Meisen, die auf der Suche nach Futter waren. Denen kamen die kleinen Radieschen gerade recht: Sie zogen sie aus der Erde, pickten mit ihrem Schnabel an der Wurzel herum, zerpflückten ihnen die Blätter – und ließen sie dann einfach liegen. So gut haben ihnen die kleinen Radieschen dann doch nicht geschmeckt.

Manchmal regnete es auch, wenn die Radieschen Besuch bekamen. Aber nicht aus einer grauen Wolke, sondern aus einer riesigen grünen Gießkanne, die die Gärtnerin in der Hand hielt. Das Wasser brauchten die Radieschen nicht nur, um sich regelmäßig die Blätter zu waschen, sondern auch um groß und stark zu werden. Das wollte die Gärtnerin so, weil sie so gerne Radieschen aß. Am liebsten zu Abend, auf einem Käsebrot und mit einer Prise Salz.

Die Radieschen aber hatten gar keine Lust, von der Gärtnerin gegessen zu werden. Sie fühlten sich in dem Blumenkasten wohl. Den ganzen Tag waren sie an der frischen Luft, am Tag beschien sie die Sonne und in der Nacht der Mond. Und ihre Nachbarin, Frau Schnittlauch aus China, die war auch sehr nett. Auch wenn sie manchmal ein bisschen streng nach Knoblauch roch.

Also schmiedeten die Radieschen einen Plan: Sie wollten sie lange klein und mickrig bleiben, bis sie innen drin schon alt und holzig sind. Denn dann würden sie der Gärtnerin bestimmt nicht mehr gut schmecken – und weiterhin in ihrem Blumenkasten bleiben dürfen. Zwar nicht alle, aber die meisten.

Gesagt, getan. Die Wochen vergingen. Die Gärtnerin goss – aber die Radieschen wuchsen nur langsam. Seeehr langsam. So langsam, dass selbst die Meisen nur noch selten zu Besuch kamen, um sie zu piesacken. Und schließlich kamen sie gar nicht mehr.

Radieschenbrot

Radieschenbrot

Die Gärtnerin jedoch wollte nicht so schnell auf geben. Sie wusste: Wer gärtnert, der braucht Geduld. Und so wartete sie und wartete sie. Tage vergingen, Wochen zogen ins Land, bis die Gärtnerin schließlich eines Tages beschloss: „Heute Abend will ich Radieschen essen. Die Radieschen sind zwar noch nicht alle groß, aber ich will sie mal versuchen.“

Vorsichtig zog also die Gärtnerin zwei Radieschen aus der Erde. Sie wusch sie, halbierte die runden, roten Wurzeln, salzte sie und legte sie auf ihr Käsebrot. Die Blätter warf sie weg – die schmeckten nun wirklich nicht gut.

Ihr könnt euch sicher denken, was als nächstes passierte. Richtig: Die Gärtnerin biss voller Vorfreude in das Käsebrot – und war dann ziemlich enttäuscht, als sie die Radieschen schmeckte. Die waren nämlich gar nicht knackig und scharf, sondern –  genau – ziemlich holzig. Der Plan der Radieschen war also aufgegangen.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Die Gärtnerin beschloss, die Radieschen Radieschen sein zu lassen. Jeden Tag kommt sie noch mit der Gießkanne vorbei, um die Pflänzchen zu wässern. Die Radieschen haben vor ihr nichts mehr zu befürchten. Und weil sie darüber sie so glücklich sind, ließen sie einen besonderen Schmuck zwischen ihren grünen Blättern wachsen: ein laaaanger Stiel, an dem zarte weiße oder rosafarbene Blüten prangen.

Die Gärtnerin findet diesen Blütenschmuck so schön, dass sie den Radieschen einen neuen Namen gegeben hat: Schneeweißchen und Rosarot.

Und wenn sie keiner gegessen hat, dann blühen sie noch heute.

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Kategorien: GartenlebenPflanzen

Mel

Mel arbeitet als freiberufliche Journalistin und hat ein Herz für grüne Themen. Auf Kistengrün zeigt dir die begeisterte Balkon-Gärtnerin, wie du dir auf kleinem Raum ein grünes Paradies schaffst.

4 Kommentare

Giorgio · 30. März 2015 um 12:30 pm

Diese Geschichte ist einfach wunderschön! Habe jedes Wort genossen. Zum Schluss aber muss ich wie ein Kind nach einem Märchen fragen: Ist das eine Blüte, die die Vögel mitgebracht haben? Es erinnert mich an so Feuchtwiesenblumen. Oder, sind das tatsächlich Radieschenblüten???

    Giorgio · 30. März 2015 um 12:33 pm

    Ach je, die Antwort gibt es einen Eintrag später, bei Es blüht. Tatsächlich, Radieschenblüten. Wie schön! Möchte ich auch, diesen Sommer.

      Mel · 30. März 2015 um 1:29 pm

      Richtig erkannt, lieber Giogio. Es sind Radieschen. Nicht gerade mein Lieblingsgemüse. Aber als Sprossen und Blumen einfach nur lecker und schön! :-)

Déjà-vu, nur pink · 27. Juni 2014 um 3:37 pm

[…] Das Ganz erinnert doch ziemlich an die Geschichte von den Radieschen Schneeweißchen und Rosarot, die ich euch neulich erzählt habe. Zwar ist die eine Wicke herrlich pink statt rosarot, aber […]

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